In den ersten beiden Teilen dieser Weblogserie habe ich mich zunächst mit Vorbemerkungen und Begriffsdefinitionen und danach mit dem Kernmodell der Theorie beschäftigt. Zentrale Überlegung dazu war, dass sich Lernen in diesem theoretischen Ansatz dadurch einstellt, dass sich virtuelle und reale Identität über die Mechanismen der Projektion und Rückprojektion in Richtung eines Gleichgewichts bewegen. Anders gesagt handelt es sich also um ein iteratives Lernen am Modell der eigenen Identität, wobei sich das Modell in einem vom Bedeutungskontext der objektiven Realität abweichenden Bedeutungskontexts eines Medienspielraumes befindet. Jede Iteration erfordert daher auch eine Übersetzung zwischen diesen zwei Bedeutungskontexten. Im dritten Teil möchte ich nun auf einige Aussagen eingehen, die sich direkt aus diesem theoretischen Modell ableiten lassen. Ich werde mich dabei auf fünf zentrale Aussagen beschränken.
Aussage 1: Lernspiel zu sein ist keine Eigenschaft des Spiels an sich, es ist eine Eigenschaft des Gesamtkontextes in dem ein Spiel gespielt wird
Was in einem Medienspiel gelernt wird hängt nicht von extern vorgegebenen Lernzielen sondern vielmehr vom Zusammenspiel zwischen (1) persönlichen Wünschen und Zielen und damit den Erwartungshaltungen der Lernenden im Umgang mit dem Medienspiel, (2) den im Medienspiel existierenden Spielregeln und -zielen sowie (3) der auch als Rahmungskompetenz bezeichneten Kompetenz des Spielers oder der Spielerin in der Übersetzung zwischen den Bedeutungskontexten von objektiver Realität und Medienspielraum ab. Dies stellt insbesondere den Begriff der Serious Games in Frage, da die Ernsthaftigkeit der durch das Spiel zu vermittelnden Ziele von den Erwartungshaltungen der Spieler und Spielerinnen abhängt und damit nicht alleinige Eigenschaft des Spiels sein kann. Die Eigenschaft Lernspiel zu sein ergibt sich für Medienspiele also erst im didaktisch richtigen Einsatz, sie ist niemals a priori vorhanden. Gleichzeitig unterstützt jedes Medienspiel die Generierung von Lernprozessen, d.h. jedes Medienspiel kann bei didaktisch richtigem Einsatz als Lernspiel verstanden werden.
Aussage 2: Medienspielpädagogisches Handeln erfordert psychotherapeutische Kompetenzen
Soll medienspielbasiertes Lernen als Methode zur Erreichung vorgegebener Lernziele eingesetzt werden, ist daher eine individuelle pädagogische Begleitung jedes und jeder Lernenden notwendig. Im Rahmen dieser Begleitung müssen insbesondere die Erwartungshaltungen der Spieler und Spielerinnen dahingehend beeinflusst werden, dass die von den Spielern und Spielerinnen durchlaufenen Lernprozesse sich in jedem einzelnen Fall den vorgegebenen Lernzielen annähern. Weiters muss auf etwaige Defizite oder Unterschiede in der Rahmungskompetenz individuell eingegangen werden. Die Rolle des oder der Lehrenden ändert sich also von Moderator oder Moderatorin von Lerngruppen in Richtung einer stark individualisierten Lernprozessbegleitung. Medienspielpädagogisches Handeln ähnelt somit stark psychotherapeutischem Handeln wodurch insbesondere auch die Möglichkeit einer Selbststeuerung der Lernenden weitgehend ausschlossen wird.
Aussage 3: Erfolgreiches Digital Game Based Learning besitzt keine Economies of Scale
Weiters sei angemerkt, dass aus obigem Grund qualitativ hochwertige medienspielpädagogische Ansätze in der Regel keine Economies of Scale gestatten werden. Auch wenn, wie viele Beispiele zeigen, erfolgreiches Game Based Learning sehr effektiv sein kann, auf Basis des hier besprochenen Lernmodells muss davon ausgegangen werden, dass es sich in der Umsetzung aufgrund der notwendig individuellen Betreuung in der Regel als wenig effizient erweist. Um eine hohe Effizienz zu erreichen, müssten in Bezug auf die Persönlichkeitsstruktur der Lernenden extrem homogene Lerngruppen vorhanden sein was in der Praxis kaum realisierbar erscheint. Dies bedeutet nicht, dass Game Based Learning keine wirtschaftliche Relevanz besitzt. Es bedeutet lediglich, dass ein hoher Nutzen mit entsprechend hohen Kosten verbunden ist und daher die Geschäftsmodelle dementsprechend angepasst werden müssen.
Aussage 4: Im Spiel gemachte Erfahrungen können nicht mit einer in der objektiven Realität verankerten Logik beurteilt werden
Ein wesentlicher Aspekt des hier vorgestellten Lernmodells besteht in der Abgrenzung der Bedeutungskontexte von Medienspielraum und objektiver Realität. Beim Überschreiten der Grenze zwischen diesen Räumen vollzieht der Spieler oder die Spielerin eine Übersetzungsleistung die die Elemente und deren Eigenschaften des einen Raumes auf die Elemente und deren Eigenschaften des anderen Raumes abbildet. Diese Abbildungen entsprechen nicht immer einer traditionellen, in der Realität verankerten Logik. Beispielsweise hat der Tod im Medienspiel im Gegensatz zur objektiven Realität die Bedeutung des Neustarts. Besitzen Spieler und Spielerinnen jene Kompetenzen, diese Übersetzungsleistungen korrekt durchführen zu können, so sind ihnen diese Unterschiede in jedem Moment des Spiels bewusst. Erfahrungen mit dem Tod im Spiel können daher nicht auf Erfahrungen mit dem Tod in der objektiven Realität abgebildet werden. Findet dennoch eine derartige Abbildung statt, so ist dies entweder ein Zeichen von psychologischer Störung oder von kindlicher Unreife. Letzteres unterstreicht die Notwendigkeit eines funktionierenden Jugendschutzes.
Aussage 5: Die wissenschaftliche Beobachtung von Lernprozessen in Medienspielen erfordert Medienspielkompetenz
Wer nun Lernprozesse in Medienspielen zu analysieren versucht, muss daher in der Lage sein, diese Übersetzungsleitungen entsprechend berücksichtigen zu können. Dazu ist es jedoch notwendig, dass der Beobachter oder die Beobachterin selbst Medienspielkompetenz besitzt und diese Kompetenz in den Forschungsprozess aktiv mit einbringt. Ist dies nicht der Fall, so können Beobachtungen in der Regel nur oberflächlich und damit in letzter Konsequenz nicht korrekt beurteilt werden, ein Phänomen, welches insbesondere in der Diskussion um die so genannten "Killerspiele" oftmals zu beobachten ist. Im Idealfall sollte daher jede Forschung zum Thema Game Based Learning nach den Grundprinzipien des Community-based Participatory Research erfolgen. Dabei wird die Gemeinschaft der Spielenden nicht als reines Forschungsobjekt verstanden sondern vielmehr aktiv in die Forschungsaktivitäten mit eingebunden.
Diese letzte Aussage soll dabei keine ausgrenzende Abwehrhaltung gegenüber Kritikern des Mediums Computerspiel darstellen, ganz im Gegenteil. Viele auch kritisch eingestellte Wissenschaftler wie etwa der Kinderpsychologe Wolfgang Bergmann besitzen eine durchaus sehr hohe Medienspielkompetenz und verstehen diese als Grundvoraussetzung für die Validität der von ihnen durchgeführten Forschung. Ich stelle jedoch bewusst Ergebnisse von Forschern und Forscherinnen in Frage, die selbst nicht spielen können. Hier bleibt es in der Regel bei sehr oberflächlichen Beobachtungen, die in der Regel keine echte wissenschaftliche Relevanz besitzen können weil sie die wesentlichen Variablen gar nicht berücksichtigen können.
Im letzten Teil der Serie möchte ich mich noch mit einigen didaktischen Fragestellungen beschäftigen. Insbesondere soll geklärt werden, was nun tatsächlich in einem Medienspiel gelernt wird. Dabei möchte ich schlussendlich einen Zugang erarbeiten wie man die hier vorgestellte Lerntheorie konkret in einer didaktischen Methodik umsetzen kann. Interessanterweise wird uns dies in eine Richtung führen, die auf den ersten Blick nicht mehr viel mit eigentlichem Game Based Learning zu tun hat sondern vielmehr auf generellen Grundprinzipien der Medienpartizipation basiert. Dies hat mich zugegebener Weise selbst etwas überrascht, ist für mich aber gleichzeitig ein Indiz dafür, dass der von mir hier beschriebene Ansatz eine allgemeinere Relevanz besitzt.
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Kommentiert von: ClubPenguin | Mittwoch, 08. September 2010 um 10:34 Uhr