Eigentlich wollte ich diesen Aufsatz nie schreiben. Denn mit Nichts ist in der Computerspielforschung so schwierig umzugehen wie mit dem immer wiederkehrenden Argument, das amerikanische Militär würde Computerspiele in seinen Trainingsprogrammen einsetzen, um Soldaten zu desensibilisieren und so die Tötungshemmung zu reduzieren. Es besteht nämlich gar kein Zweifel, dass das amerikanische Militär (wie übrigens viele andere Militärs auch) nahezu Alles (also auch Computerspiele) erforscht und im militärischen Einsatz erprobt. Selbst verschiedene Glaubensrichtungen der Parapsychologie und Metaphysik sind so zu Ehren gekommen.
Gleichzeitig ist aber auch nicht wirklich zu erwarten, dass das Militär zu diesem Thema brauchbare Ergebnisse in wissenschaftlich relevanter Form publizieren würde. Denn wenn eine derartige Methode funktioniert würde, so würde sie zum militärischen Geheimnis, um den daraus resultierenden Vorteil zu sichern. Wenn sie hingegen nicht funktionieren würde, so würde sie zum militärischen Geheimnis, um sich vor unangenehmen Nachfragen zu schützen. Man kennt dieses Prinzip aus vielen anderen Fragestellungen. Und so muss man erwarten, dass das Argument der militärischen Anwendung von Computerspielen zum Zweck der Reduktion der Tötungshemmung zwangsläufig eigentlich immer ein Totschlagargument für jede wissenschaftliche Diskussion bleiben muss da man keine gesicherten Details in Erfahrung bringen kann.
Was mich in den letzten Wochen allerdings dann doch dazu veranlasst hat, mich mit dieser Thematik einmal näher zu beschäftigen, sind die überraschend genauen Angaben die in letzter Zeit zu dem vermuteten Desensibilisierungseffekt gemacht wurden. So sprach der Kriminologe Christian Pfeiffer in der von mir bereits früher kritisierten Sendung "Hart aber Fair" von einer Reduktion der Tötungshemmung von 75% auf 35%. Noch radikaler formulierte der Waffenexperte und Journalist Dagobert Lindlau in der ZDF Sendung "Maybrit Illner" vom 26.3.2009 seinen Wissensstand in Sachen Tötungshemmung:
"Das ist erwiesen. Das ist etwas worüber wir nicht spekulieren müssen. Die Amerikaner haben fest gestellt, dass ihre Soldaten in bewaffneten Nahkampfsituationen zu 80% eine Hemmung haben, den anderen nieder zu schießen. Nach der Schulung mit solchen Dingen, die wir unseren Kindern zumuten sinkt das auf 20%. Das sind Zahlen, die nicht zu widerlegen sind."
Nun stellt sich hier sofort die Frage, woher diese Zahlen stammen und was genau eine Tötungshemmung von 75% oder auch 80% denn eigentlich bedeutet. Und wie, um Himmels Willen, wird dies methodisch sauber gemessen?
Versucht man diese Fragen zu beantworten, stellt man schnell fest, dass es gar nicht so einfach ist den Ursprung dieser Zahlen ausfindig zu machen. Denn in der Regel findet sich die Aussage zur Reduktion der Tötungshemmung selbst in an und für sich wissenschaftlich angelegten Arbeiten ohne genaue Quellenangabe. Eine Internetrecherche nach dem Begriff der "Tötungshemmung" ergibt weiters, dass die Existenz dieses Konzeptes an und für sich umstritten ist. Da es sich dabei nicht um mein Fachgebiet handelt, möchte ich in dieser übergeordneten Frage allerdings nicht mitspekulieren und nehme daher im Folgenden an, dass beim Menschen tatsächlich eine Tötungshemmung beobachtet werden kann.
Bei genauerer Analyse der deutschsprachigen Literatur stellt sich nun heraus, dass die Angaben zur Tötungshemmung mit höchster Wahrscheinlichkeit aus den Arbeiten des amerikanischen Militärpsychologen Dave Grossman stammen. Grossman, der interessanterweise selbst niemals promoviert sondern seine akademischen Ehrungen über seine Lehrtätigkeit an der Militärakademie in West Point erlangt hat, leitet derzeit die private "Warrior Science Group" über die er seine Theorie der Killology (also der Wissenschaft des Tötens) verbreitet. Grundlage der Killology ist das Buch "On Killing" sowie das Folgewerk "On Combat" die sich beide auch ausgiebig mit Videospielen beschäftigen.
Selbst wenn die Angaben zur Tötungshemmung nicht direkt von Grossman stammen, so kann man dennoch aufgrund seiner Laufbahn als Militärpsychologe und Ausbildner an der Eliteschule des amerikanischen Militärs davon ausgehen, dass sich die in der deutschen Diskussion vorgebrachten Ergebnisse in seinen Werken zumindest wieder finden sollten. Überraschenderweise ist auch dies nicht der Fall. So schreibt er in seinem Buch "Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?" (im Original "Stop Teaching Our Kids to Kill") auf Seite 87 lediglich:
"Die Einführung von Simulatoren ist unbestreitbar verantwortlich für den Anstieg der erfolgreich tötenden Soldaten von 15 bis 20 Prozent im Zweiten Weltkrieg auf 95 Prozent im Vietnamkrieg. Im Falklandkrieg lag dieser Wert für die argentinischen Soldaten, die mir zivilen Zielscheiben übten, bei 10 bis 15 Prozent. Dagegen erreichten die mit modernen Methoden trainierten britischen Soldaten über 90 Prozent. Daher wissen wir, dass – unter ansonsten gleichen Umständen – 75 bis 80 Prozent aller tödlichen Schüsse auf dem modernen Schlachtfeld eine unmittelbare Folge des Einsatzes von Simulatoren sind."
Methodisch wurde also nur festgestellt, dass in den militärischen Konflikten des 20. Jahrhunderts eine Korrelation zwischen der Effizient von Soldaten und deren technologischer Unterstützung beobachtet wurde. Videospiele kommen nur deshalb ins Spiel, da sie Simulatoren ähneln und oftmals auch auf derselben Technologie basieren. Dies erinnert sehr stark an die auch von Manfred Spitzer verbreitete These des Epidemiologen Centerwall, wonach es einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Tötungsdelikte und dem Besitz (wohlgemerkt dem Besitz und nicht der Nutzung) von Fernsehapparaten geben soll (nachzulesen in "Vorsicht Bildschirm!"). Dass es den Autoren dieser Thesen nicht wirklich um Wissenschaftlichkeit geht, macht Grossman auf Seite 91 von "Wer hat unseren Kindern das Töten beigebracht?" klar:
"Man kann mit Sicherheit sagen, dass diese Technologie in den Händen von Kindern sehr viel gefährlicher ist, als in denen von Soldaten oder Polizisten – die erwähnten Beispiele belegen dies ebenso wie der gesunde Menschenverstand."
Es handelt sich hier also um Wissenschaft auf Basis des so genannten gesunden Menschenverstandes. Als Ziel genannt werden die Disziplinierung der Gesellschaft und die Reinigung unserer krankhaften Triebe vom Unheil einer freien Medienkultur. Auch hier ist Grossman sehr eindeutig, wenn er in "On Combat" auf Seite 232 nahezu sektenhaft schreibt:
"I am joining our medical community in stating that, from the perspective of my area of expertise in enabling killing in combat, in impact of violent TV, movies, and (most especially) video games on kids should be condemned. Like the Al-Quaida terrorist, the kamikaze pilot, of the Nazi SS, these kids have immersed themselves in a sick culture, and they have convinced themselves that what they are doing is good, appropriate and necessary. The school shooters are all products of our sick culture, and those who immerse themselves in our sickest part of our sick culture have potential to be very sick indeed."
Zusammengefasst sei hier festgestellt, dass die derzeit im Umlauf befindlichen Aussagen zur Reduktion der Tötungshemmung auf Arbeiten basieren, die einer üblichen wissenschaftlichen Kritik in keiner Weise standhalten können. Hier werden Militärsimulationen mit Computerspielen in einen Topf geworfen und Korrelationen kausale Zusammenhänge zugestanden, die teilweise an der Haaren herbeigezogen sind. Es handelt es sich hierbei ganz klar um einen Mythos auf Basis der Medieninkompetenz seiner Verbreiter.
Abschließend noch eine kurze Bemerkung zum Computerspiel "America’s Army", dessen Bedeutung meiner Meinung nach extrem überschätzt wird. Die Entwicklungskosten des Spiels beliefen sich unbestätigten Meldungen zufolge auf ca. 5 Millionen Euro. Das gesamte Militärbudget der USA betragen sich derzeit auf jährlich ca. 500 Milliarden Euro. Das Spiel kostete also in etwa 0,001 Prozent eines Jahresbudgets. Bei allem Verständnis für die Befürchtungen rund um dieses Spiel sei hier doch sehr deutlich angemerkt, dass diese Prozentzahl komplett anders aussehen würde, wenn es sich bei America’s Army wirklich um einen derartigen militärischen Erfolg handeln würde wie manchmal übereifrig kolportiert wird.
Zum Glück kenne ich diese Behauptungen erst seit der Lektüre deines Artikels, ansonsten hätte ich mich selbst um einige klärende Aussagen bemühen müssen. Danke dafür.
Ich habe allein in den hier angeführten Zitaten soviele haarsträubende Aussagen entdeckt, dass ich gerne eine seitenlange, wissenschaftlich fundierte, Reaktion verfassen würde :).
Zu America's Army: Dieses Spiel wird außerdem hauptsächlich zur Förderung von Kommunikationskompetenz und Teamarbeit eingesetzt und nicht zur Desensibilisierung gegenüber Gewaltakten.
Kommentiert von: Thomas Wernbacher | Mittwoch, 01. April 2009 um 09:45 Uhr
"On Killing" und "On Combat" sind zusammen mehr als 700 Seiten voll mit derartigen Behauptungen. Da ginge sich mindestens eine Diss als Reaktion aus. :)
Kommentiert von: Michael Wagner | Mittwoch, 01. April 2009 um 10:07 Uhr
Danke für diesen tollen Beitrag! Schön, mal wieder etwas Sachliches zu lesen und von der heißen, emotionalen Debatte etwas runter zu kommen!
Kommentiert von: Monica | Donnerstag, 02. April 2009 um 22:37 Uhr
Sehr geehrter Herr Wagner,
Ihre Ausführungen zur Tötungshemmung finde wenig überzeugend.
Vom wissenschaftlichen Standpunkt: wenn Sie eine wenig wissenschaftliche Meinung kritisieren, heißt das noch lkange nicht, dass deren Gegenteil richtig ist.
Sie würden in Ihrer Argumentation weiter kommen, wenn Sie sich mit den Neurowissenschaften und deren Befunden beschäftigten.
Diese haben herausgefunden, dass das, was wir tun, Spuren in unserem Denk- und gefühlsapparat hinterlässt nd unsere Folgehandlungen beeinflusst - besonders dann, wenn unsere Handlungen mit hohem Gefühlsanteil ausgeführt werden.
Dass Computerspiele neurowissenschaftlich gesehen unsere Denk- Gefühls- und Handlungswelt beeinflussen, ist damit evident (diese Spuren können gemessen werden).
Mit freundlichen Grüßen
F. Marksteiner
Kommentiert von: Friedel Marksteiner | Freitag, 03. April 2009 um 09:25 Uhr
zu America's Army: Wer sich das slber mal anschaut stellt schnell eines fest: Es geht darum die US-Army in gutem Licht erscheinen zu lassen. Es geht um's kennenlernen von internen Strukturen und usw... Das Spiel ist zudem nicht gerade weit verbreitet.
@F.Marksteiner:
Sie kommen offenbar selber nicht aus der Wissenschaft. Sonst wüssten sie, dass ihre Kritik ins leere läuft. Vieleicht sollten sie sich mal mit Popper beschäftigen. Es muss eine Theorie nicht bestätigt werden, sondern falsifiziert (sehr verkürzt). Wenn also Theorien Ausfluss von mangelhaften Methoden sind, können sie dadurch nicht mehr falsifiziert werden (reproduzierbarkeit!) und sind damit ungültig und ohne Aussagekraft. Der Autor des Artikels hat mit seiner Kritik also durchaus wissenschaftlich gehandelt.
Kommentiert von: saibot | Freitag, 03. April 2009 um 10:07 Uhr
Danke für diesen wertvollen und sachlichen Beitrag!
Gibt es Zahlen zur Verbreitung von America´s Army? Das würde mich interessieren.
Kommentiert von: Osloprinz | Freitag, 03. April 2009 um 11:52 Uhr
@F. Marksteiner:
Ich kenne die Details der Studie zwar nicht, aber folgendes, zentrales Ergebnis wird anscheinend betont: Es kommt nach dem Konsum eines Gewaltspiels zu einer erhöhten Aktivität der Amygdala und zu einer Verringerung der Kontrollfähigkeit.
Nun stellt sich erstens die Frage nach dem Spiel,welches in der Kontrollgruppe eingesetzt wurde. Zweitens wäre interessant, ob ein Rennspiel zu einer ebenso hohen Aktivität der Amygdala führen kann und somit den Effekt des Gewaltspiels nivelliert. Drittens ist eine erhöhte Aktivität der Amygdala per se nichts Negatives, da diese z.B. durch angenehme emotionale Erfahrungen (Verliebtheit...), aufregende Erfahrungen (sportliche Leistungen, persönliche Errungenschaften) etc. (diese Liste ließe sich endlos fortsetzen) aktiviert wird. Prinzipiell ist die Amygdala in der Wissenschaft als Gefühlszentrum anerkannt.
Kommentiert von: Thomas Wernbacher | Donnerstag, 09. April 2009 um 10:36 Uhr
Man sollte Grossman´s Thesen ersten genauer betrachten, zweitens nicht voreilig zu dem berühmten Schluss kommen, was nicht sein darf, kann nicht sein, nur weil´s mir Spass macht und ich durch den Konsum von Killerspielen jeglicher Art noch nicht zum Killer geworden bin.
Nach meinem Verständnis geht Grossman davon aus, dass Brutalisierung und Desensibilisierung zwei kausale Faktoren darstellen, die dann praktisch wirksam werden können (nicht müssen!), wenn folgende Trias sich hinzufügt:
1. Der Wille zu töten
2. Das Können (Übung macht hier auch den Meister: virtuell und real)
3. Die Waffe
Diese kausale Kette wird nach Auffassung von Grossman bei Militär systematisch den jungen Soldaten vermittelt, und zwar mit allen Konsequenzen. Wer sich´s ansehen möchte, sei auf den Film "Full metall jacket" verwiesen. Die wichtige Feststellung Grossman´s hierbei ist es, dass der soldatischen Gewaltbereitschaft ein sozialer Riegel vorgeschoben ist. Dieser besteht aus der soldatischen Hierarchie und der Disziplin, die sich in dem Prinzip von Befehl und Gehorsam äußert. Der Soldat schießt also nur, wenn es befohlen wird, und er hört wieder auf, wenn er den Befehl dazu erhält oder dieser ausgeführt ist. Das ist im Grunde eine zivilisierte Form der Gewalt. Zur Belohnung gibt´s dann Blechorden, Beförderung oder Sonderurlaub usw. Grossman sagt weiter, dass junge Männer (inzwischen auch Frauen) für diese militärische Gewaltausübung anfällig sind. Die Vierzigjährigen und Älteren stehen diesem falsch verstandenen Abenteuer und Heldentum eher kritischer gegenüber. Es scheint, dass Dummheit doch etwas mit dem Alter zu tun hat ...
Was passiert aber, so stellt Grossman die Frage, wenn das militärische Brutalisierungs- und Desensibiliserungsprogramm ohne funktionierende soziale Riegel quasi unkontrolliert und individuell eingeübt wird? Er meint, dann werden in virtuellen Welten gut geübte und motivierte potenzielle Killer herangezogen,die die Wirklichkeit so einteilen, dass es Gute und Böse gibt (wie bei den Soldaten und in den Killerspielen) und die ihre Konflikte nach diesem sehr einfachen Schema (Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.) zu lösen versuchen. Wenn diese Jugendlichen an keine reale Waffe herankommen, dann hat die Gesellschaft Glück gehabt. Wenn der Wille zu töten von moralischen Werten im Zaum gehalten wird, dann ist die Erziehung durch wenn auch immer gelungen.
Aber das Training haben diese jungen Menschen absolviert und sie werden sich sicherlich bei Terentino´s Filmen nicht angeekelt fühlen, sondern der Prozess der Brutalisierung wird unbewusst weiter betrieben. Ihre Gefühlswelt gegenüber Gewaltdarstellungen und -berichten wird mit einer größeren Wahrscheinlichkeit abstumpfen als bei Jugendlichen, die sich von diesen Prozessen der Brutalisierung und Desensibilisierung fernhalten und ferngehalten werden.
Noch ein Wort zur Desensibilisierung. Dieser Prozess ist ja nichts Außergewöhnliches. Er findet leider bereits in unserer Kindheit statt. Wer kennt nicht den Spruch: "Ein Indianer kennt keinen Schmerz!" Der Adressat dieser Äußerung soll seine eigenen Gefühle missachten. Wir lernen durch Wiederholung. "Ein Indianer weint nicht!"
Jetzt können wir das und missachten unsere eigenen Gefühle. Wer kennt nicht den Ekel und das körperliche Unwohlsein nach dem ersten Zigarette? Hat das erste Bier, das erste Glas Wein wirklich soooo gut geschmeckt? Das sind alles Beispiele für Desensibilisierungsprozesse. Wer kann sich noch an seinen ersten Horrorfilm erinnern, an die Grausamkeiten. Man wollte die Augen verschließen oder zuhalten, aber man Zwang sich, diesen Schmerz auszuhalten. Und heute? Nun man wird durch alle Alterklassen hindurch mit Hilfe der unwahrscheinlichen Medienvielfalt ständig desensibilisiert. Genug ist nicht genug. Dieser Porzess hat eine Richtung. Die Formen der Brutalität etwa auf den Schulhöfen hat zugenommen. Die Täter werden immer jünger und brutaler. Sagte man vor dem Amoklauf von Winnenden "Erfurt", dann wusste jeder, das war ein Gewalthöhepunkt in der BRD. Jetzt nicht mehr. Es graut uns nicht mehr vor dem Massaker von Erfurt. Wir sind desensibilisiert. In diese Richtung denkt Grossman. Deshalb sagt er auch am Ende seines Interviews in der "Zeit" von 1999: "Wir werden uns noch wundern!" Ich befürchte, er wird Recht behalten. Nach dem Schock von Erfurt dachte man, Schlimmer kann´s nicht mehr kommen. Dann kam Winnenden. Was kommt nach Winnenden? Wie gesagt, wir werden uns noch wundern ...
Es geht nicht darum, Gewaltspiele zu verbieten. Vielmehr müssen die Wissenschaften helfen, durch ihre Ergebnisse die Menschen in Stand zu setzen, bewusst darüber nachzudenken, was sie tun, damit sie frei und vernünftig entscheiden können, ob sie das wollen, was sie machen, und ob sie auch die Verantwotung nicht nur für sich, sondern auch für Kinder und Jugendliche tragen können, die mit einem bisher in der Geschichte ungeahnten Außmaß an Gewaltdarstellung konfrontiert werden. Wir wissen: Das Leben des Einen berüht immer das Leben des Anderen - im Guten wie im Bösen.
Kommentiert von: Michael Zimmer | Samstag, 18. April 2009 um 01:28 Uhr
Lieber Herr Zimmer,
vielen Dank für ihren Beitrag. Sie sprechen viele Punkte an, die man diskutieren sollte. Ich möchte vielleicht versuchen, meine Standpunkte dazu etwas plakativ aufzulisten:
1) Computerspiele sind inzwischen primär ein Erwachsenenmedium. Niemand ist der Meinung, dass die so genannten "Killerspiele" ein jugendtaugliches Medium darstellen. Eine ethisch-moralische Diskussion halte ich deshalb für sinnvoll, eine kriminalistische hingegen nicht.
2) Militärisches Training erfordert die direkte Interaktion zwischen Ausbildner und den Rekruten. Die Aufgabe der Ausbildner ist es dabei, den unmittelbaren Realitätsbezug einer Trainigssituation herzustellen. Medien können diese Funktion nicht ersetzen.
3) Jugendschutz ist ein enorm wichtiges Thema. Wenn ein Spiel ab 18 freigegeben ist, hat es nichts in den Händen von Kindern zu suchen. Für die letztendliche Umsetzung des Jugendschutzes sind aber die Erziehungsberechtigten verantwortlich.
4) Mit dem Internet kam eine Gesellschaft der Informationsanarchie. Ob es gefällt oder nicht, Verbote im Zugang von Medien sind sinnlos geworden da sie nicht kontrollierbar sind. Bewahrpädagogik ist ein Konzept des vergangenen Jahrtausends.
5) Sogar Pfeiffer hat letztens in einer Diskussion zugegeben, dass die Gewalt an Schulen insgesamt rückläufig ist. Ich komme aus einer Lehrerfamilie. Mit den Erfahrungen, die mein Vater zu Beginn seiner Lehrtätigkkeit vor fast 70 Jahren gemacht hat kämen sie heute problemlos in die Hauptnachrichten.
6) Die Eigenschaft von Computerspielen, Inhalte oder gar Emotionen zu vermitteln, wir heute ungemein überschätzt. Unbewusstes selbstgesteuertes Lernen in Computerspielen existiert nicht. Computerspiele fördern was sie fordern und sie fordern was die Spieler gefordert haben wollen.
7) Der Mensch hat einen natürlichen Instinkt mit dem er Reales von Nicht-Realem zu unterscheiden imstande ist. Je realer Nicht-Reales wirkt, desto mehr sträubt sich die menschliche Psyche dies auch als real anzuerkennen. Am besten wird dies durch Filme wie "Beowulf" verdeutlicht.
8) Die Bedeutungskontexte in Spiel und Realität sind unterschiedlich. Der Tod im Spiel und der Tod in Realität sind zwei komplett verschiedene Konzepte. Insoferne ist eine eventuelle Desensibilisierung bezüglich von Spielinhalten nicht auf die Realität übertragbar.
LG, Michael Wagner
Kommentiert von: Michael Wagner | Samstag, 18. April 2009 um 18:51 Uhr
@ Herr Zimmer:
Brutalisierung und Desensibilisierung als kausale Faktoren darzustellen ist ohne Kenntnis bzw. Definition der Ursache wenig sinnvoll. Von welcher Ursache wäre hier die Rede? Von exzessivem Computerspiel- oder Medienkonsum? Wenn ja, wie lange müsste dieser Konsum stattfinden und wie reagieren welche Altersgruppen auf Gewaltdarstellungen in Medien? Welche Studien erbringen anhand welcher Stichproben verlässliche und replizierbare Ergebnisse bzw. Beweise für diesen Effekt?
Ich hoffe, dass ich mit diesen rethorischen Fragen auf das Problem von Kausalschlüssen aufmerksam gemacht habe. Es existieren mittlerweile hunderte mehr oder weniger wissenschaftliche Studien, welche Ergebnisse in beide Richtungen bringen. Von einer eindeutigen Ergebnislage kann nicht die Rede sein. Der Effekt von Gewaltspielen auf physiologische Erregung, Feindseligkeit und physische Aggressionsbereitschaft bewegt sich entweder im bedeutungslosen oder geringen Rahmen: es können maximal 10% des aktuellen Verhaltens durch den Konsum von gewalthaltigen Medien aufgeklärt werden.
Es gibt jedoch einen weiteren Grundkonsens: es gibt eine Gruppe von High Risk Playern, die eine bestimmte Kombination von Persönlichkeitseigenschaften sowie genetischen Grundveranlagungen aufweisen und in kein Sicherheitsnetz in Form eines fördernden sozialen Umfelds integriert sind. Der "Wille" wäre in jenem Fall die Kombination aus all diesen Faktoren, der leichte Zugang zur Waffe hat tatsächlich bei allen Vorfällen eine Rolle gespielt, der Trainingseffekt durch Computerspiele existiert jedoch nicht. Es handelt sich um zwei Welten, die Erlebnisse in einer virtuellen Umgebung ("Schießübungen") haben sowohl haptisch als auch motorisch nichts mit Handlungen in der Realität zu tun.
Die Gruppe der "High Risk Playern" ist extrem klein und schwer identizierbar. Die Frage nach einer Intervention stellt sich natürlich, die Problemlage ist jedoch so komplex und vielschichtig, dass durch einseitige Reaktionen der Gesellschaft oder Politik wenig erreicht werden kann.
Wenn jedes Medium, das sich im Zimmer des jeweiligen Amokläufers befunden hat, ab sofort kritisch beäugt wird (seien es Bücher, Filme, Zeitschriften, Computerspiele) dann ist der Weg zu einer totalitären Gesellschaft nicht mehr weit.
Abschließend möchte ich anmerken, dass dieses Problem aus einer ganzheitlichen Perspektive betrachtet werden sollte.
Kommentiert von: Thomas Wernbacher | Montag, 20. April 2009 um 08:18 Uhr
Tip:
Wie die US-Army dafür gesorgt hat das der G.I. in Vietnam mehr tötete als im 2. Weltkrieg ist eigentlich recht gut dokumentiert.
Es gab dazu zwei Projekte, in die auch das Britische Militär eingebunden gewesen ist.
Die beiden Projekte nannten sich:
SALVO und ALCLAD.
Bei ALCLAD ging es eigentlich darum Schußsichere Westen zu entwickeln.
Dazu wurden medizinische Berichte über Verwundungen aus dem 2. Weltkrieg herangezogen, um herauszufinden welche Waffen / Situationen für die meisten Wunden verantwortlich gewesen sind.
Resulat: Die meisten Wunden wurden durch automatische Waffen wie MPs oder MGs verursacht, in Situationen in denen man überraschend auf den Feind getroffen ist.
Wunden durch gezieltes Einzelfeuer sind wesentlich seltener gewesen.
Diese Erkenntnis wurde dazu verwendet um ein Anforderungsprofil für neue Handfeuerwaffen zu erstellen.
Dieses Profil diente später im Project SALVO als Vorlage, das Projekt endete in der Entwicklung des Sturmgewehrs M16.
Im Vietnamkrieg kam das M16 dann das erste mal in größeren Stückzahlen zum Einsatz. Effektiv ist damals jeder Soldat mit einer Automatischen Waffe ausgestattet worden, während im 2. Weltkrieg ein Großteil der Soldaten Waffen ohne Vollautomatisches Feuer verwendet haben.
Kann sein das Grossman diese Fakten in seinem Buch erwähnt und die Enthemmung für eine weitere Effektivitätssteigerung verantwortlich macht, ich habe es nicht gelesen.
Ich werde auch keinen Antrophosophischen Verlag dadurch unterstützen, das ich dessen Bücher kaufe.
Quellen:
The Gun Zone, eine us-amerikanische Webseite hat recht viel darüber, inklusive der Namen der Offiziellen Dokumente zu diesen Projekten.
http://www.thegunzone.com/556dw.html
Als kleine Auswahl Suchbegriffe:
ALCLAD Hitchman John H. Gardner Robert J. Best.
"Operational Requirements for an Infantry Hand Weapon." Hitchman
"The Causative Agents of Battle Casualties World War II."
Alle Dokumente sind aus den 60er und inzwischen frei zugänglich.
Ich persönlich bin übrigens der Meinung das es sich bei der Behauptung "Killerspiele würden vom US Militär entwickelt / dazu verwendet Soldaten zu enthemmen" um den Versuch handelt mit antiamerikansichen Vorurteilen seine Ideologie zu verbreiten.
Damit kann man als CSU Politiker bei "etwas konsvervativeren" Wählern genauso gut ankommen wie als Radikalpazifist bei Friedensfreunden.
Zumal den Amis ja schon mehr als einmal vorgeworfen wurde mit den Medien die deutsche Jugend zu verderben.
Damals gings nicht um Killerspiele, sondern um Negermusik (Rock 'n' Roll) und Schundhefte (Comics) ;)
Kommentiert von: Alrik | Dienstag, 15. Dezember 2009 um 22:23 Uhr
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Kommentiert von: Medyum | Donnerstag, 10. Juni 2010 um 17:31 Uhr
Ich habe allein in den hier angeführten Zitaten soviele haarsträubende Aussagen entdeckt, dass ich gerne eine seitenlange, wissenschaftlich fundierte, Reaktion verfassen würde :).
Kommentiert von: Electronic Cigarette | Sonntag, 15. August 2010 um 13:41 Uhr
Ich bin zu einem großen Teil mit dem Artikel beeindruckt Ich habe gerade gelesen, interessante sehr gut.
Kommentiert von: medyum | Montag, 16. August 2010 um 17:40 Uhr
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Vom wissenschaftlichen Standpunkt: wenn Sie eine wenig wissenschaftliche Meinung kritisieren, heißt das noch lkange nicht, dass deren Gegenteil richtig ist.
Kommentiert von: ClubPenguinCheats | Mittwoch, 08. September 2010 um 10:31 Uhr
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Kommentiert von: Account Deleted | Donnerstag, 07. April 2011 um 09:23 Uhr